Don’t stop believing!

5 08 2010

Am Samstg, 31. Juli bin ich in die Schweiz zurückgeflogen. Meine sechs Monate als Kiva Fellow gingen damit zu Ende. Die Erlebnisse in dieser Zeit auf sinnvolle Art und Weise zusammenzufassen ist fast nicht möglich. Am besten findet ihr es selbst heraus! (kleiner Hinweis: ihr werdet es irgendwo zwischen fantastisch und sagenhaft, lehr- und erlebnisreich,  inspirierend und bereichernd finden).

Für mich hört mit diesem Eintrag wohl auch die Zeit als Blogger auf, zumindest für den Moment. Wie ich gelernt habe machen sich Aufzählungen in einem Blog ganz gut, vor allem natürlich am Ende von etwas (man denke nur an all die Jahresrückblicks-Ranglisten). Hier also ein paar Aufzählungen:

Danken:

Ein Dank gilt folgenden Leuten (nicht abschliessend):

  1. An alle die hier mitgelesen und mitkommentiert haben! Ins Leere hinaus zu schreiben wäre frustrierend gewesen, danke, dass ihr gelegentlich hier vorbeigeschaut habt!
  2. An meine liebe Freundin, die immer ein offenes Ohr für die Hochs und Tiefs des Kiva Fellows hatte und die Dinge mit einer gewissen Distanz jeweils wieder ins rechte Licht rückte!
  3. An Google, Skype, Leo und all die anderen Softwaren (ist wahrscheinlich kein richtiges Wort, aber gefällt mir), welche mir sehr halfen (unter anderem) Sprachbarrieren und Distanzen zu überwinden!

Schätzen:

Dinge, die ich schätzen gelernt habe (nicht abschliessend):

  1. Sicherheit: Über allem steht die Sichherheit. Das tönt unsexy und altmodisch und ist wohl das, was wir hier in Europa für am selbstverständlichsten halten. Ist es aber nicht.
  2. Bildung: Eine oder auch mehrere Sprachen beherrschen, schreiben können, rechnen, ein bisschen was über die Welt wissen. Das alles könnte ich nicht, wenn es mir nicht jemand beigebracht hätte. Vielen bringt es niemand bei.
  3. Strom: Kerzenlicht ist nur die ersten zwei Tage romantisch, nachher einfach nur mühsam…

Bewerben:

Wäre doch super, wenn sich eine(r) von euch als Kiva Fellow bewerben würde. Wichtige Eigenschaften (ihr ahnt es, nicht abschliessend):

  1. Entdeckungslust: Es gibt so viele Orte, Menschen und Geschichten zu entdecken als Kiva Fellow! Die Einblicke sind tiefer als man sie als Tourist je hätte.
  2. Geduld: Ob Bürokratie, „südländische“ Arbeitsweise, ungenügende Infrastruktur, Übersetzungsprobleme; ein Kiva Fellowship erfordert Geduld, viel Geduld!
  3. Optimismus: Die Armut in gewissen Gegenden mag unüberwindbar erscheinen, die Schritte hin zum Erfolg mögen klein sein; den Kopf in den Sand stecken gilt nicht, Optimismus ist gefragt! Hilft (gepaart mit ein wenig Naivität) auch beim Zugehen auf wildfremde Menschen.

In diesem Sinn schliesse ich diesen Blog mit dem Lied, welches 29 Kiva Fellows Ende Januar 2010 in einer Karaoke Bar irgendwo in San Francisco trällerten und das sozusagen zur Hymne meines Fellowships wurde: „Don’t stop believing!“





Gar nicht so einfach!

26 07 2010

Ein wichtiges Thema im Feld der Mikrokredite ist es, die Kunden zu schützen. „Vor was?“ denkt mein werter Leser jetzt vielleicht und ich kann das gut verstehen. Ich bin in der Schweiz aufgewachsen und wurde irgendwie in ein Umfeld hineingeboren, wo man mit Geld umzugehen weiss. Vor was also soll man die Kunden schützen? Vor Überschuldung zum Beispiel. Oder vor intransparenten Preisplänen zum Beispiel (schon naheliegender, finde ich). Oder vor „unangebrachtem“ Geldeintreiben („Moskau Inkasso“ lässt grüssen). Weiters sollen sich die Bankmitarbeiter ganz allgemein ethisch korrekt aufführen, Beschwerdemöglichkeiten vorhanden sein und die Kundedaten geschützt werden. So, ein bisschen holprig aber in der nötigen Kürze habe ich sie vorgestellt, die 6 Prinzipien des Kundeschutzes. Nun mag man also denken, diese Prinzipien seien teilweise doch kaum nötig und wenn doch, dann seien sie bestimmt einfach durchsetzbar.

Bai-Tushum gibt sich alle Mühe, diese Prinzipien zu befolgen. Dass das in der Praxis dann manchmal aber gar nicht so einfach ist, zeigte sich letzten Freitag. Wir waren in Narin, der Hauptstadt (im Grunde ist Narin einfach ein riesengrosses Kaff) der gleichnamigen Provinz im Süden Kirgistans, um den dortigen Mitarbeitern Kiva näher zu bringen. Dann wollten wir das Ganze auch gleich im Feld testen! Also besuchten wir eine alte Frau, die sich für einen Kredit beworben hatte. Sie wohnt mit ihren zwei Enkelkindern in einem sehr einfachen Haus; die Kinder hats längst schon nach Bishkek gezogen; der Mann ist auf der Alp um etwas dazuzuverdienen. Zu den paar Tieren, welche sie schon hat, möchte die Frau noch einige Ziegen hinzukaufen. Erstaunt war ich schon, als ich erfuhr, dass sie vor ein paar Wochen mit einer anderen Bank ebenfalls einen Kredit abschloss. Genau so schlittert man ja in Überschuldung hinein. In Kirgistan gibt es eine zentrale Informationsstelle, wo jeder Kredit erfasst wird, um eben diese Situationen zu verhindern. Allerdings werden dort in der Regel nur Kredite von mehr als ca. 750 Franken gemeldet. 750 Franken sind ja Peanuts denkt sich auch in Kirgistan so manch einer, für eine alte mittellose Frau in den Bergen Narins stimmt das aber natürlich nicht! Da riskiert man also schon mal, mindestens eins der sechs Prinzipien zu verletzen.

Wirklich erschreckend war es aber zu merken, dass es den Kreditagenten trotz sichtlicher Mühe nicht gelang, der Frau wirklich beizubringen, was so ein Kredit genau ist und wie er funktioniert. Die Frau hat mehr als ein halbes Jahrhundert im real existierenden Sozialismus gelebt, ihre ganze Bildung fusste auf diesem Wirtschaft- und Gesellschaftsbild und vom Ende des Sozialismus hat sie wohl vor allem gemerkt, dass das Geld knapp wurde. Wenn jetzt Leute wie diese Bankangestellten kommen und ihr Geld geben wollen, liegt es nahe, dies als Fürsorge anzusehen, die wohl vom Staat kommt. Es ist in der Praxis unglaublich schwer, einer Frau mit dieser Vergangenheit, die zum ersten Mal einen Kredit aufnimmt, nur schon das Allergrundsätzlichste zu vermitteln: dass das Geld zurückbezahlt werden muss, inklusive Zinsen. In einem solchen Umfeld braucht es jedes einzelne der sechs Prinzipien des Kundenschutzes!